Es gab drei Dinge, vor denen sich die Schüttorfer im Mittelalter besonders fürchteten: vor dem Krieg, vor dem schwarzen Tod (Pest) und vor der Feuersbrunst. Und das mit guten Grund. Mehrfach wurde Schüttorf vom Krieg gebeutelt. Insbesondere der Siebenjährige und der Dreißigjährige Krieg bracht Not, Elend und Tod über die Stadt und seine Bewohner. Und auch die Pest raffte einen großen Teil der Bevölkerung dahin. Aber am meisten setze das Feuer der Stadt zu. Mindestens viermal wurde die Stadt von großen Stadtbränden heimgesucht. Der letzte Stadtbrand wütete im Jahr 1891.

Es war auch ein Feuer, das viele historische Dokumente über die Stadtbrände 1945 beim Bombenangriff auf das Schüttorfer Rathaus vernichtet. Aber manchmal legen auch andere Dinge Zeugnisse über die Vergangenheit ab.

Türbalken in der Vechtestraße 6

Es gibt bestimmt noch einige Schüttorfer, die sich an die Vechtestraße im Plunnermelkshoek vor der Stadtteilsanierug erinnern. Bis in die 1960er/70er Jahre standen dort noch viele alte Ackerbürgerhäuser, die so typisch für Schüttorf waren. Eines dieser Häuser war das Haus Nr. 6. Jahrelang wohnte dort die Familie Wangemann. Deshalb hieß es im Volksmund auch das „Wangemannsche Haus“.

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Blick in die Vecntestraße. Rechts hinten ist das alte Wangemannsche Haus zu sehen.

Als man 1960 das Haus für einen Neubau abriss, fand man bei den Abbrucharbeiten einen eichenen Türbalken, der einst wohl über der Nenndööre des Vorgängerhauses angebracht war. Und dieser Türbalken einhielt, wie viele andere alte Türbalken aus dieser Zeit auch, eine Inschrift, die die Stadthistoriker aufhorchen ließ:

ANNO • 1608 • DEN • BOLLIIVLY • IS • DIT • HVISZ • VOR • BRANT • VNDT • WEDERVP • GEBOEVET • MIT • GODES • HVLF • VNDE • MENSCHEN • BISTNT • ANNO • 1609 • AM • 23 • SEPTEM • JO • S

Übersetzt:
Im Jahr 1608 im Bolli-Juli ist dieses Haus abgebrannt und mit Gottes Hilfe und dem Beistand der Menschen wieder aufgebaut worden, am 23. September im Jahr 1609.

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Der geborgene Türbalken aus dem Wangemannschen Haus in der Vechtetraße 6

Was hat es mit dem Bolli-July auf sich?

Zwei Dinge ließen die Lokalhistoriker aufhorchen. Zum einen muss nach diesem Türbalken der Stadtbrand 1608 stattgefunden haben – nicht wie bisher angenommen erst 1604 oder 1609. Bei diesem Stadtbrand, dem wohl größten in der Geschichte Schüttorfs, wurden über 100 Häuser zerstört, darunter auch das Schulgebäude. Dadurch wurde ca. ein Drittel der Stadtbewohner obdachlos. Es gibt leider keine genauen Angaben zur Zahl der Einwohner zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Es müssen aber so in etwa 500 bis 800 gewesen sein. In Chroniken wird vermerkt, dass 1580 es in Schüttorf etwa 140 Häuser gab, die aber an einigen Stellen meist eng zusammenstanden. Dazwischen gab es große Gärten und Ackerflächen. Dass der Stadtbrand von 1608 so große Schäden verursachte, kann eigentlich nur bedeuten, dass das Feuer an mehreren Stellen gleichzeitig ausgebrochen war, oder es eine Ursache hatte, die eine außergewöhnliche Verbreitung des Feuers begünstigte.

Damit kommen wir zur zweiten Besonderheit, die uns der Türbalken präsentiert: die Bezeichnung „Bolli-Juli“ für den Monat Juli. Man vermutete, dass das Beiwort „Bolli“ einen Hinweis auf die Ursache des Stadtbrandes geben könnte. Bis dahin ging man davon aus, das ein Blitzeinschlag der Auslöser des Brandes gewesen ist. Nun äußert man die Vermutung, dass durch das Zusatzwort „Bolli“, das wohl von „boli“ abgeleitet sein konnte und so etwas wie Kugel oder auch Sonnenkugel bedeutete, die Brandursache ganz woanders zu suchen sein könnte. Denn unter Sonnenkugeln verstand man zu der Zeit Feuerkugeln, aber vor allem Meteoriten. Da im Jahr 1608 kein Krieg im Gebiet um Schüttorf herum stattfand, wo bei Belagerungen Feuerkugeln abgeschossen wurden, kam der Verdacht auf, dass der Brand vielleicht durch einen Meteoriteneinschlag verursacht gewesen wäre.

Keine weiteren Beweise für einen Meteoriten

Ein Meteorit, der in die Stadt Schüttorf eingeschlagen war, dadurch ließen sich auch die verheerenden Auswirkungen des Stadtbrandes von 1608 erklären. Aber leider fand man keinerlei weitere Beweise, die diesen Verdacht erhärten konnten. Ein Meteoriteneinschlag wäre aber wohl so einmalig gewesen,dass man ihn auch anderswo hätte dokumentiert. Auch auf der Gedenktafel zum Stadtbrand, die im damals wiederaufgebauten Schulhaus vom damaligen Pastor Johannes Holstein angebracht wurde, ist davon nicht die Rede. Es sind also Zweifel durchaus angebracht, ob das mit dem Meteoriten stimmt.

Vielleicht wollte man mit dieser Meteoriten-Legende aber auch nur unterstreichen, dass es mal wieder etwas Außergewöhliches gewesen sein muss, was hier im Juli 1608 stattgefunden hat. Das wäre ja auch nicht ganz untypisch für die Schüttorfer, die sich gerne mal im Lichte besonderer Ereignisse sehen.

Die Feuerwehr kam erst später

Nach der Brandkatastrophe von 1608 dauerte es noch fast 130 Jahre, bis man in Schüttorf über eine effektive Brandbekämpfung nachdachte. Erst 1737 begann mit mit einer Spendensammlung für eine Brandspritze, die aber wohl nicht sehr erfolgreich gewesen ist. Denn erst 1789 bekam Schüttorf eine erste Handdruck-Feuerspritze. Und man legte mitten in der Stadt einen tiefen Löschwasserbrunnen an, der auch im Sommer noch unter Wasser stand. Bis dahin entnahm man das Löschwasser mit Eimern aus den verschiedenen Gräben der Stadt und natürlich auch aus der Vechte. Da hatte man natürlich Probleme, wenn im Sommer die Gräben und auch die Vechte nur wenig Wasser führten, oder wenn im Winter alles zugefroren war.

0580 Bültmann am Brunnen

Der Löschwasserbrunnen in der Brunnengasse

Natürlich waren für eine bessere Brandbekämpfung auch Männer notwendig, die sich mit dem Löschen eines Brandes auskannten und die im Brandfall auch schnell zur Stelle waren. Dafür wurde 1796 das erste Feuerwehrkommando in der Stadt gegründet, ein Vorgänger unserer heutigen Freiwilligen Feuerwehr. Diese Vorkehrungen waren wohl auch Grund dafür, dass die beiden folgenden Stadtbrände 1834 und 1891 nicht so große Schäden verursachten.

 (Quelle: u.a.  Ein alter Torbalken aus der Zeit des Schüttorfer Stadtbrandes, von Dr. Franz Scheurmann, in: Jahrbuch 1953, Fotos: Heimatverein Schüttorf, Wikipedia)

 

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