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Ist heute vom „Bentheimer Gold“ die Rede, so denkt man zuerst an die Sandsteinkuhlen in Bentheim und Gildehaus. Dabei könnten die Anfänge des Sandsteinbruchs bei uns ganz woanders liegen. Biegt man von Schüttorf kommend auf der Suddendorfer Straße kurz vor der Ziegelei nach rechts in die Bentheimer Berge ab, stößt man schon nach wenigen hundert Metern auf die Spuren eines wichtiges Schüttorfer Wirtschaftszweiges im späten Mittelalter. Kaum noch zu erkennen liegen hier die mit wohl ältesten Steinkuhlen der Grafschaft. Heute hat die die Natur das überdeckt, wo vor Jahrhunderten unsere Vorfahren in mühevoller Handarbeit schwere Steine aus den Felsen gehauen haben.

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An einigen Stellen sind heute noch die Reste der Suddendorfer Steinkuhlen zu erkennen.

AM ANFANG WURDE VIEL GEBAUT

Als 1295 die Schüttorf seine Stadtrechte verliehen bekam, startete wenige Jahrzehnte später in der damals noch sehr kleinen Stadt ein beispielloses Bauprogramm. Im Mittelpunkt der großen Bauaktivitäten standen zum einen die Stadtbefestigung mit ihrer Kilometer langen Stadtmauer und drei stark befestigte Stadttore sowie den Baubeginn der großen Laurentius-Kirche. Hinzu kamen noch der Bau der Burg Altena sowie des alten Rathauses. Und nebenbei wuchs mit der Bevölkerungszahl auch die Zahl der Häuser in Schüttorf.

Bild 459 - Pikketörnken Samern 1915

Auch das Piggetörnken in Suddendorf/Samern wurde sehr wahrscheinlich mit Sandsteinen aus der Suddendorfer Mark gebaut.

EIN PRIVILEG ZUM STEINEBRECHEN

All das führt dazu, dass in Schüttorf ein großer Bedarf an Baumaterialien, insbesondere an Steinen bestand. Da die Stadtbefestigung vor allem im militärisch-strategischen Interesse des Bentheimer Grafenhauses erfolgte, liegt es auf der Hand, dass den Schüttorfer alsbald von gräflicher Seite her das Privileg zugestanden wurde, in den nahegelegenen östlichen Ausläufern der Bentheimer Berge, nämlich in der Suddendorfer Mark Sandstein zu brechen. Dokumentiert ist dieses Privileg zwar erst in den erweiterten Stadtprivilegien von 1465, es ist aber stark davon auszugehen, dass es bereits lange vor dieser Zeit bestanden haben muss.

item_41_Ziegelei

Der Punkt (item) 41 der erweiterten Privilegien der Stadt Schüttorf, der dem Rath und den Bürgern von Schüttorf vom Grafen (weiterhin) gestattet wurde, in Suddendorf einen Brennofen für Ziegel sowie einen Steinbruch zu betreiben.

DIE STÄDTISCHE KUHLE

In den erweiterten Stadtrechten von 1465 ist die Rede von einer „Steinkuhle in den Bentheimer Bergen, die von dem Rath und den Bürgern der Stadt betrieben werden durfte. Sehr wahrscheinlich wurde die Steinkuhle von der Stadt Schüttorf an finanzkräftige Bürger verpachtet, die den begehrten Sandstein aus den Felsen brechen und wohl auch vor Ort zu passgerechten Steinquadern weiter verarbeiten ließen. Transportiert wurden die so gewonnenen Sandsteine per Pferdewagen und im Winter per Schlitten in die nahegelegenen Stadt. Die Transport hatten lehnspflichtige Bauern zu bewerkstelligen. In Schüttorf wurden dann aus den Steinen die jeweiligen Bauwerke errichtet.

Wo genau der Schüttorfer Steinbruch in der Suddendorfer Mark lag, lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Aber die städtische Steinkuhle war nicht der einzige Steinbruch in Suddendorf. Das Grafenhaus betrieb hier noch weitere Steinbrüche, die ebenfalls an Pächter vergeben waren. In einem Lagerbuch der gräflichen Verwaltung werden 1627 drei dieser Steinkuhlen genannt, nämlich die von Fischer, Rode Hermann und Johann Borchert.

STEINE NUR FÜR DEN EIGENBEDARF

Der Sandstein aus den Bentheimer Bergen war ein begehrter Baustoff, mit dem sich viel Geld verdienen ließ. Das Geld wollten sich die Bentheimer Grafen nicht durch die Lappen gehen lassen. So verlangten sie von den Pächtern der Steinkuhlen eine recht hohe Pacht. Und auch den Handel mit dem wertvollen Baumaterial wurde an finanzkräftige Händler, zumeist aus dem Holländischen, vergeben. Die Schüttorfer mussten für ihren städtischen Steinbruch keine Pacht bezahlen. Dafür war ihnen aber der Handel mit den Sandsteinen untersagt, sie durften die gebrochenen Steine nur für den Eigenbedarf nutzen. Nach Fertigstellung der meisten großen Bauwerke in der jungen Stadt Schüttorf versuchten der Rath und die Bürger Schüttorfs mehrfach das Handelsverbot zu umgehen. Es kam zu gerichtlichen Auseinandersetzungen an deren Ende den Schüttorfern erlaubt wurde, einen bescheidenen Handel mit Bruchsteinen hauptsächlich für Straßenbefestigungen und kleinen Grundstücksmauern zu betreiben. Dafür kassierten nun die Grafen eine jährliche Pacht für die städtische Steinkuhle. Der Sandsteinbruch und -handel erlangte in Schüttorf aber nicht annähernd die Bedeutung, die er später in Bentheim und vor allem in Gildehaus innehatte.

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Auch das Schüttorfer Rathaus aus dem 15. Jahrhundert wurde mit Suddendorfer Sandsteinen gebaut. Auch hier überwiegt eher die Zweckmäßigkeit der Bauweise.

DER SCHÜTTORFER ZIEGELOFEN

Bereits in 15. Jahrhundert erhielt Schüttorf zudem das Privileg, in der Suddendorfer Mark einen Ziegelofen zur Herstellung von Ziegelsteinen zu betreiben. Die dort gebrannten Ziegelsteine waren zu erheblich günstigeren Bedingungen herzustellen, so dass die teuren Sandsteine für den Bau von Häusern, vor allem von Wohn- und Arbeitshäusern immer weniger verwendet wurden. Nach dem Bau des Rathauses und der Errichtung des Kirchturmes wurden in Schüttorf keine Häuser mehr aus Sandstein errichtet. Lediglich für die Fundamente und Fußböden wurde noch Sandstein verbaut. Das letzte Bauwerk, das komplett mit Sandstein errichtet wurde, ist die katholische Kirche. Jedoch stammt dieser Sandstein nicht mehr aus der städtischen Kuhle in Suddendorf.

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Die Laurentius-Kirche. Das größte aus Suddendorfer Sandstein errichtete Gebäude in der ganzen Grafschaft.

GAB ES IN SCHÜTTORF KEINE STEINMETZE

Obgleich der Sandsteinabbau lange Zeit ein wichtiger Wirtschaftszweig in Schüttorf war und vielen Menschen Arbeit geboten hat, ist in den alten Schüttorfer Dokumenten von diesen Menschen kaum die Rede. Den Beruf des Steinbrechers oder Steinhauers findet man in den alten Verzeichnissen fast überhaupt nicht. Auch sucht man in den alten Handwerksrollen den Beruf des Steinmetzes vergebens. Lediglich die große Bedeutung der Schüttorfer Schmiede könnte ein Hinweis darauf sein, dass besonders im 14. und 15 Jahrhundert viele Menschen mit der Ver- und Bearbeitung von Sandsteine in Schüttorf beschäftigt waren. Denn für das Steinbrechen und die Steinbearbeitung waren sehr viele Werkzeuge aus Metall notwendig.

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Die Steinkuhlen in Suddendorf waren mit Sicherheit nicht so groß wie die in Bentheim oder Gildehaus. Das Foto aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigt aber anschaulich, wie anstrengend das Ausbrechen der Sandsteine gewesen sein muss.

GROB, ZWECKMÄSSIG UND KOSTENGÜNSTIG

Es ist wohl davon auszugehen, dass in der Schüttorfer Kuhle der Sandstein lediglich herausgebrochen und zu grob behauenen Quadern verarbeitet wurde. Diese Sandsteinquader wurden dann nach Schüttorf verbracht und dort vor Ort direkt in die jeweiligen Bauwerken verbaut. So sieht man auch heute noch an den wenigen erhaltenen Resten der Stadtmauer, dass die Steinquader nicht sehr passgenau vermauert wurden. Viele Lücken zwischen den großen Sandsteinen wurden einfach mit kleinen Sandsteinen „aufgefüllt“. Es kam den Erbauern wohl nicht so sehr auf „Schönheit“ an. Vielmehr sollte das Bauwerk schnell, zweckmäßig und kostengünstig errichtet werden.

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Mit ziemlich grob behauenen Steinen errichtet: die Stadtmauer

Auch beim alten Rathaus finden wird diese Vorgehensweise. Lediglich bei den späteren An- und Umbauten der Laurentius-Kirche wurde mehr Wert auf die Verarbeitung der Steine gelegt. Hier wurden auch verstärkt Verzierungen und Ornamente angebracht. Das Fehlen der Berufe des Steinhauers oder Steinmetzes ist auch ein Indiz für die eher geringe überregionale Bedeutung des Sandsteinhandels in der alten Stadt Schüttorf.

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Bei den letzten Bauabschnitten der Laurentius-Kirche ist schon filigranere Steinmetz-Kunst zu erkennen. Hier das große Turmfenster im Hauptportal der Kirche.

Quelle: u.a. Der Grafschafter 2012, 1994, 1982. Fotoquellen: Stadtarchiv Schüttorf, Heinz Bavinck, Ulrich Körner, privat

Wat’n Jammer